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Von Clans und Shisha-Bars

„Türkisch-arabische Familienclans“, die etwa in der Gastronomie und im Baugewerbe tätig sind. Bei Kartoffeln nennen sie das Familienbetrieb und vergeben Prämien. „Clankriminalität“ nennen sie es bei Kanax, und widmen dem einen ganz eigenen Untersuchungsbericht. Bei tödlicher bandenmäßiger Kriminalität von Deutschen gegen migrantisierte Menschen nennen sie es Dönermorde und verschließen den Geheimdienstbericht für 120 Jahre.

2020, fast auf den Tag genau sechs Monate nach Hanau. In Nordrhein-Westfalen stellt der Innenminister, Herbert Reul, heute um 14 Uhr das „Lagebild Clankriminalität 2019“ vor. Aus der Vorstellung des letztjährigen Berichtes heißt es da: „Für den Zeitraum von 2016 bis 2018 konnten 104 türkisch-arabische Familienclans identifiziert werden“.

Der Gesamtbericht hält Analysefelder wie „Legale und illegale Geschäftsfelder“ vor, darunter Betäubungsmittelhandel, Gastronomie, Shisha-Bars, Glücksspiel-Szene, Wettbüros, Rapper-Szene, Rocker-Szene, Security-Dienstleistungen, Kampfsport-Szene, Call-ID-Spoofing, falsche Polizeibeamte, Investitionen in Immobilien in Deutschland, Sozialleistungsbetrug, Illegaler Geldtransfer sowie Autohandel und -Verleih.

Es ist der Versuch einer umfassenden Kriminalisierung migrantisierter Lebenswelten. Nicht nur werden in den Überschriften alle Arbeitsverhältnisse genannt, die im lokalen rheinischen Slang wohl einfach „Drecksarbeit“ geschimpft würden. Mit der Gleichsetzung von Gastronomie, Shisha-Bars, und von Musikszenen mit „Sozialleistungsbetrug“, Spoofing, Betäubungsmittelhandel und anderen kriminalisierten Tätigkeiten, werden Lebenswelten und Freiräume migrantisierter Menschen mit Kriminalität gleichgesetzt.

„Türkisch-arabische Familienclans“, die etwa in der Gastronomie und im Baugewerbe tätig sind. Bei Kartoffeln nennen sie das Familienbetrieb und vergeben Prämien. „Clankriminalität“ nennen sie es bei Kanax, und widmen dem einen ganz eigenen Untersuchungsbericht. Bei tödlicher bandenmäßiger Kriminalität von Deutschen gegen migrantisierte Menschen nennen sie es Dönermorde und verschließen den Geheimdienstbericht für 120 Jahre.

Im Februar 2020 ermordete ein Nazi im hessischen Hanau kanakische Menschen in einer Shisha-Bar. Ohne diese Art der systematischen Stigmatisierung und Kriminalisierung von solchen Orten, wäre das Ereignis Hanau so nicht denkbar gewesen. Reul ließ in den vergangenen Jahren regelmäßig, übrigens ohne tatsächlich nennenswerte Kriminalität aufdecken zu können, Razzien in Shisha-Bars durchführen.

Ihr wollt wissen, wie Hanau, Hoyerswerda, Chemnitz, Halle, Solingen, und wie der NSU möglich war? Ihr wollt wissen, wie rechtsradikale Drohbriefe an aktivistische linke Frauen* verschickt werden können, ohne, dass es nennenswerte Ermittlungserfolge oder Veränderungen gibt? So war und ist das möglich. Das ist dieser Rassismus, mit dem die meisten weißen Deutschen nichts zu tun gehabt haben wollen. Das sind die Taten der Enkel derer, die die NS-Diktatur herbeigeführt, gestützt und gefeiert haben. Dieser Bericht ist symptomatisch für den strukturellen Rassismus, der zum Fundament dieser Gesellschaft gehört.

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